Veröffentlicht am 14. März 2024 von RKP
„Endlich Pflegereform anpacken sonst können wir einpacken!“
Ruhrgebietskonferenz-Pflege will zeigen, was passiert, wenn nichts passiert - Stillstand in der Pflegepolitik und Personalmangel bedrohen Versorgungssicherheit
Gelsenkirchen, 12. März 2024: Mit einem gemeinsamen Aktionstag wollen Arbeitgeber aus der Pflege auf unsichtbare Warteschlangen und die stille Rationierung in der Pflege aufmerksam machen. „Wenn wir nicht bald handeln, laufen wir in eine tiefgreifende Versorgungskrise. Im Jahr 2030 werden uns rund 130.000 Pflegekräfte fehlen. Das bedeutet 1,1 Mio. Pflegebedürftige, die unversorgt bleiben. Das sind so viele Menschen wie die Städte Essen und Dortmund zusammen Einwohner haben“, bringt Jörg Klomann von der Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen und Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege die Situation auf den Punkt.
Am 19.03.2024 findet ab 12:00 Uhr vor dem Rathaus in Recklinghausen deshalb eine Aktion unter dem Motto „Pflegereform anpacken sonst können wir einpacken“ statt. Malte Wulbrand, Bereichsleiter Senioren und Pflege der Caritas im Caritasverband für die Stadt Recklinghausen erklärt die Aktion so: „Wir verpacken Dinge, um sie sichtbar zu machen“. In Anlehnung an den Aktionskünstler Christo werden Autos der Pflegedienste verpackt, um ihren Wert für die Gesellschaft sichtbar zu machen. Zeitgleich werden die Pflegedienste mit einem Autokorso auf dem Wall die unsichtbaren Warteschlangen vor den ambulanten Diensten transparent machen.
Fachkräftemangel wird sich weiter verschärfen
Insbesondere in der ambulanten Pflege herrscht hinter verschlossenen Türen schon heute akuter Pflegenotstand. Pflegedienste streichen Touren zusammen und schränken ihre Versorgungsgebiete ein. Von 2020 bis 2024 haben ambulante Dienste ihren Personalstamm um bis zu 20 % reduzieren müssen. Der Fachkräftemangel wird sich noch weiter verschärfen. „In unseren Pflegediensten sind 2/3 der Beschäftigten über 55 Jahre alt. Im Jahr 2030 müsste jede zweite SchulabgängerIn sich für einen Gesundheitsberuf entscheiden, um die prognostizieren Bedarfe zu decken“, sagt Martina Waldner, Abteilungsleiterin der Arbeiterwohlfahrt Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen.
Grundlegender Systemwechsel gefordert
Der Forderungskatalog der Pflegearbeitgeber für den Aktionstag ist umfangreich. Dabei geht es nicht ums Jammern und Klagen, sondern um eine gemeinsame gesellschaftliche Kraftanstrengung. Malte Wulbrand von der Caritas Recklinghausen: „Es macht uns keine Freude, jeden Tag mit verzweifelten Kund*innen zu telefonieren, die auf der Suche nach einer Versorgung für sich oder ihre Angehörigen sind.“ Die aktuell erlebbaren Leistungseinschränkungen stehen im krassen Widerspruch zum Selbstverständnis der professionell Pflegenden. Wenn jetzt nicht ein grundlegender Systemwechsel eingeleitet wird, ist bald niemand mehr da, um die Pflegebedürftigen zu versorgen.
Misstrauenskultur führt zu enormen Belastungen
Pflege hat sich in den letzten Jahren extrem weiterentwickelt und professionalisiert. Martina Waldner von der AWO fasst das Selbstverständnis der Arbeitgeber und die Zielsetzung des Aktionstages zusammen: „Wir können Pflege, aber wir könnten noch viel mehr leisten, wenn man uns endlich vertrauen würde.“ Die Misstrauenskultur in der Pflege führt zu enormen Belastungen durch Prüfungen, Kontrollen und Genehmigungsverfahren, für die den Kostenträgern und Aufsichtsbehörden schon heute das Personal fehlt. Vergütungsverhandlungen werden auf die lange Bank geschoben und Leistungsabrechnungen so lange herausgezögert, bis nicht wenige Pflegedienste in wirtschaftliche Schieflagen geraten. Die Arbeitgeber fordern daher die Umsetzung der längst überfälligen Entbürokratisierung sowie eine konsequente Einführung von digitalen Lösungen zur Verbesserung der Versorgung und zur Arbeitserleichterung für die Beschäftigten. Um die Pflege zukunftsfähig zu machen, braucht es ein Investitionsprogramm für die digitale Infrastruktur und zur nachhaltigen Personalgewinnung.
Die Aktion verbinden die Pflegearbeitgeber mit einem Aufruf zum gemeinsamen Dialog aller Akteure, die an der Zukunftsfähigkeit der pflegerischen Versorgung arbeiten wollen.
Für alle, die noch Lust und Zeit haben, sich am Aktionstag (19.03.2024) zu beteiligen: Das ist die Route für den Auto-Korso um den Wall in Recklinghausen. Abschluss am Rathaus. Da kann man dann auch ohne Auto dabei sein 😊! Los geht es um 12 Uhr an der Cäcilienhöhe. Es ist toll, was die Kolleg*innen in Recklinghausen da gerade auf die Beine stellen.
Wer mitmachen will, ist dazu herzlich eingeladen. Wer sich am Autokorso aktiv beteiligen will, soll sich bitte mit Jörg Klomann (j.klomann(schnecke)diakonie-kreis-re.de) oder Malte Wulbrand (M.Wulbrand(schnecke)caritas-recklinghausen.de) in Verbindung setzen.