Veröffentlicht am 6. Dezember 2022 von RKP
Ruhrgebietskonferenz-Pflege: Kinderkliniken sind nur die Spitze des Eisbergs
Auch Betten in Heimen unbesetzt. Pflege ist fast überall am Limit!
Gelsenkirchen, 05.12.2022: Seit Tagen stehen sie zurecht im Fokus. Die Kinderkliniken im Lande. Die Situation dort ist dramatisch und für viele Betroffene aktuell eine echte Katastrophe. Für die Ruhrgebietskonferenz-Pflege ist die akute Notlage aber nur ein weiterer Ausdruck für das Versagen von Gesundheits- und Pflegepolitik in unserem Land. Ulrich Christofczik, Sprecher der Arbeitgeberinitiative aus dem Revier formuliert den Vorwurf so: „In nahezu allen Bereichen unseres Gesundheitssystems herrscht aktuell ein eklatanter Mangel. Es fehlt nicht an Geld, es fehlt auch nicht an Betten und Geräten, es fehlt an Menschen. Die Kinderkliniken sind nur die Spitze des Eisbergs. Pflege ist fast überall am Limit“.
Unsichtbare Warteschlangen
Auch in der Langzeitpflege können schon längst nicht mehr alle Menschen bedarfsgerecht versorgt werden. „Vor den ambulanten Diensten und stationären Einrichtungen stehen unsichtbare Warteschlangen. Wir müssen täglich unzählige Anfragen ablehnen und die Menschen vertrösten. Da spielen sich am Telefon echte Tragödien ab“, beschreibt Ulrich Christofczik. Er ist nicht nur einer der Sprecher der Pflegearbeitgeber im Revier sondern auch Vorstand des Christophoruswerks und Geschäftsführer der Evangelischen Altenhilfe Duisburg. Die meisten Betroffenen wollen, dass ihre pflegebedürftigen Angehörigen zuhause versorgt werden. „Das klappt aber nicht, weil die häusliche Pflege schon lange am Versorgungslimit arbeitet. Nach dem zehnten oder elften vergeblichen Anruf beim ambulanten Pflegedienst wenden sich die Menschen dann an unsere stationären Einrichtungen. Nur leider sind die Heime auch voll ausgelastet“, konkretisiert Christofczik.
Betten in Pflegeheimen bleiben leer
Wobei das auch nur bedingt zutrifft. Inzwischen lassen nämlich immer mehr Altenhilfeträger Betten leer. Ihnen fehlen schlicht die Mitarbeitenden, um eine qualitativ gute Versorgung sicherzustellen. Bevor die Heimaufsichten öffentlichkeitswirksam die Schließung von Wohnbereichen anordnen, werden Pflegeplätze zweitweise einfach nicht wieder belegt.
Langjähriges Politikversagen
Für die Ruhrgebietskonferenz-Pflege ist die Gesamtsituation Ausdruck eines umfassenden und langjährigen Politikversagens. Seit Jahren werden auf hochkarätig besetzten Tagungen und Kongressen Prognosen veröffentlicht und vollmundig Reformen angekündigt. „Wir fordern schon lange eine umfassende Pflegereform, mit der die Finanzierung für alle Akteure auf verlässliche Füße gestellt werden, damit Pflege bezahlbar bleibt und trotzdem gut bezahlt werden kann. Wir fordern seit Jahren schon die bedarfsgerechte Personalausstattung, um die Kolleg*innen zu entlasten und die Arbeitsbedingungen verbessern zu können. Wir bekommen stattdessen Studien und Modellprojekte zur „Erprobung“, zählt Roland Weigel, Koordinator der Ruhrgebietskonferenz-Pflege auf.
„Passiert ist nichts“
Das alles ist für die Arbeitgeberinitiative aus dem Ruhrgebiet ein fortlaufender Skandal, durch den echte Veränderungen auf die lange Bank geschoben werden. Silke Gerling vom Diakoniewerk in Essen weist auf ein weiteres Thema hin, das ihr die Zornesröte ins Gesicht treibt: „Seit Jahren wird über Entbürokratisierung und eine bessere Abstimmung von Kontrollen bzw. Prüfungen diskutiert. Passiert ist nichts. Wir werden nur noch immer intensiver kontrolliert. Das bindet Ressourcen und frustriert unsere Beschäftigten“ Auch die Digitalisierung und damit verbundenen Erleichterungen kommen nicht voran. „Wir haben viel Geld und Zeit in die Vorbereitung zur Einbindung in die Telematik-Infrastruktur gesteckt. Das wurde gerade durch das Scheitern des E-Rezepts auf unbestimmte Zeit verschoben. Bis dahin ist unsere Technik schon wieder veraltet.“, benennt Silke Gerling ein zweites Thema, wo es nicht vorangeht.
Ursachen liegen im System
Das ist für die Ruhrgebietskonferenz-Pflege das durchgehende Motiv der letzten Jahre. In der Pflege wird Geld für Dinge ausgegeben, die am Ende wenig zur Lösung der vorhandenen Probleme beitragen. Ulrich Christofczik bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen endlich eine Gesundheits- und Pflegepolitik, die sich ernsthaft und wirksam mit dem Abbau des Arbeitskräftemangels beschäftigt. Pflegepolitik ist mehr als Pandemiebekämpfung und das Stopfen von Finanzierungslücken. Es macht auch keinen Sinn, die einzelnen Leistungsbereiche gegenseitig auszuspielen und jetzt zu priorisieren. Letztes Jahr waren es die Intensivstation und jetzt sind es die Kinderkliniken. Die Ursachen und der Anpack für Lösungen liegen im System. Das muss endlich grundlegen reformiert werden!“