
Veröffentlicht am 3. März 2025 von RKP
Täglich „Dunkelflaute“ in der Pflege
Save the date: Pflegearbeitgeber diskutieren gemeinsam mit Betroffenen über neue Wege aus der Versorgungskrise
Der Begriff „Dunkelflaute“ stammt ursprünglich aus der Energiewirtschaft und beschreibt eine Phase, in der weder Solar- noch Windenergie ausreichend Strom liefern. Übertragen auf die Pflege steht er sinnbildlich für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des deutschen Pflegesektors: Es fehlt an Personal, die Infrastruktur ist unzureichend, und bereits heute kann die Versorgung vieler Pflegebedürftiger nicht mehr sichergestellt werden. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem. Während es in der Energieversorgung in diesem Winter nur vereinzelt zu Engpässen kam, herrscht in der Pflege täglich „Dunkelflaute“.
Diese Krise und Ideen zu deren Bewältigung sind die Themen eines gemeinsamen digitalen Fachtags der Ruhrgebietskonferenz-Pflege und der Interessenvertretung „wir pflegen“ NRW am 19. März 2025 (13–16 Uhr) auf Zoom. Anmeldungen sind über diesen Link schon jetzt möglich.
Kein neues „Phänomen“
Prognosen zeigen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 um 50 % steigen wird, während gleichzeitig ein gravierender Mangel an Pflegekräften droht. Schätzungen zufolge könnten bis zu 500.000 Vollzeitkräfte fehlen, wenn sich die aktuellen Trends fortsetzen. Langfristig wird erwartet, dass der Bedarf an Pflegekräften bis 2049 um ein Drittel auf 2,15 Millionen ansteigt. Je nach Entwicklung könnten dabei zwischen 280.000 und 690.000 weitere Pflegekräfte fehlen. Das bisherige Beschäftigungswachstum reicht absehbar nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken – im Jahr 2030 müsste sich jeder zweite Schulabgänger für einen Gesundheitsberuf entscheiden.
Zusätzlich verstärkt der demografische Wandel die Problematik: Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland wird allein durch die Alterung bis 2055 um 37 % zunehmen. Das „Phänomen“ der Babyboomer trägt maßgeblich dazu bei.
Der Personalmangel ist kein neues Problem. Seit Jahren weisen die Pflegearbeitgeber auf unsichtbare Warteschlangen vor Pflegediensten und stationären Einrichtungen hin. Täglich zeigt sich die Belastung in überfüllten E-Mail-Postfächern und endlosen Telefonanfragen. Betroffene fühlen sich im Stich gelassen, während viele Pflegekräfte frustriert sind, weil sie den Bedarfen nicht gerecht werden können. Die Folgen der Dunkelflaute in der Pflege müssen heute schon die pflegenden Angehörigen schultern, indem sie zunehmend die Versorgung ohne oder mit nur geringer Unterstützung bewältigen müssen, bis hin zur völligen Erschöpfung.
Lösungsansätze: Mehr Zusammenarbeit und Innovation
Einfache Antworten auf diese komplexen Herausforderungen gibt es nicht. Viele Lösungsvorschläge liegen seit Langem auf dem Tisch. Jetzt braucht es endlich eine Pflegepolitik, die diese auch umsetzt.
- Internationale Arbeitskräfte anwerben: Eine gezielte Anwerbung aus dem Ausland muss intensiviert werden.
- Bessere Ausbildung und Quereinstieg: Die Förderung der Pflegeausbildung sowie Programme für Quer- und Wiedereinsteiger sind essenziell.
- Digitalisierung ausbauen: Pflegeroboter, KI-gestützte Dokumentationssysteme und Telemedizin können den Arbeitsaufwand reduzieren.
- Mehr Pflegeassistenzkräfte: Der Ausbau von Helferberufen entlastet Fachkräfte, die sich dann auf medizinisch-pflegerische Aufgaben konzentrieren können.
- Stärkung der pflegenden Angehörigen: Geeignete Qualifizierungsangebote, finanzieller Ausgleich und der Aufbau von Unterstützungsnetzwerken helfen pflegenden Angehörigen.
- Prävention vor der Pflege: Verzögerung des Eintritts eines Pflege-/Betreuungsbedarfs, Dämpfung der Zunahme der Pflegebedürftigkeit
- Aufhebung der Sektorengrenzen: Pflege- und Betreuung muss unabhängig vom Wohnort und der Wohnsituation der Betroffenen organisiert und finanziert werden können.
Darüber hinaus braucht es grundlegende politische Reformen:
- Neue Wohnformen: Der Auf- und Ausbau von kleinräumigen Wohn- und Betreuungsformen (WG´s und Mehrgenerationenwohnen) muss besser gefördert und weniger reglementiert werden.
- Community-Nursing: Regionale Pflege- und Betreuungsnetzwerke können das Zusammenspiel von familiärer und professioneller Pflege verbessern.
- Reform der Finanzierung: Ein neues Finanzierungssystem muss Pflegekosten besser absichern.
- Mehr politische Einflussnahme: Pflege muss aktiver in politische Prozesse einbezogen werden, um die Versorgung zu verbessern.
Vertrauen und Zusammenarbeit als Schüsselfaktoren
Die professionelle Pflege allein wird die „Dunkelflaute“ nicht beheben können. Die Arbeitgeber der Ruhrgebietskonferenz-Pflege setzen daher auf Zusammenarbeit. Dafür braucht es jedoch Vertrauen in die Pflegedienste und ihre Mitarbeitenden. „Trust in Care“ lautet der Appell an Politik, Öffentlichkeit und Betroffene.
Die enge Zusammenarbeit zwischen pflegenden Angehörigen und professionellen Pflegekräften ist entscheidend für die Versorgungsqualität und das Wohlbefinden der Pflegebedürftigen. Das erfordert beiderseitige Bereitschaft zur Kooperation. Angehörige müssen systematisch in den Pflege- und Betreuungsprozess eingebunden werden. Sie brauchen mehr professionelle Begleitung und emotionale Unterstützung sowie eine gleichwertige Anerkennung ihrer Leistung.
Beim Fachtag zur „Dunkelflaute“ in der Pflege am 19.03.2025 diskutieren wir über Wege zu mehr Versorgungssicherheit. Neben einer ehrlichen Bestandsaufnahme heutiger Herausforderungen wollen wir konkrete Lösungsansätze vorstellen und gemeinsam die Bedingungen für zukunftsfähige Versorgungsmodelle ausloten.
Das Programm:
- Von der Quadratur des Kreises – Was können Pflegeanbieter tun, um der Dunkelflaute zu begegnen? (Ein Gespräch mit Bodo de Vries, stellv. Vorsitzender der Geschäftsführung der Ev. Johanneswerks gGmbH)
- Quo Vadis Kommune? – Über zukunftsfähige Versorgungsstrukturen in unseren Städten. Ein Impuls von Helmut Wallrafen, Geschäftsführer der Sozial-Holding Mönchengladbach)
- Pflegende Angehörige im Blackout – Erfahrungen und Einschätzungen von Edeltraud Hütte-Schmitz und Notburga Ott aus dem Vorstand von „wir pflegen“
- Digitale Lösungen für analoge Herausforderungen – Der „Marktplatz ambulante Pflege“ in Münster. Karin Stritzke von der Fachstelle Sozialplanung der Stadt Münster und Stefanie Duesmann, Leiterin der Diakonie mobil in Münster.
- Care for Work – Netzwerklösungen für pflegend Beschäftigte? Kerstin Schönlau, Geschäftsbereichsleitung Seniorenhilfe-Diakonisches Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten
- Vom Ausland lernen, heißt…. Ein Impuls zur Übertragbarkeit des Buurtzorg-Ansatzes auf das deutsche Pflegesystem. Ein Beitrag von Gunnar Sander, Geschäftsführer bei Buurtzorg Deutschland
Die Zukunft der Pflege geht uns alle an. Wir bleiben dran.

Foto: cottonbro studio www.pexels.com