Veröffentlicht am 8. Februar 2021 von RKP
„Wir haben uns schon blutige Nasen geholt“
Ruhrgebietskonferenz-Pflege appelliert an Politik und Kommunen: Dezentrale Impfzentren müssen endlich kommen! - Pressemitteilung -
Gelsenkirchen, 08.02.21: Auf dem zweiten digitalen Impf- und Schnelltestgipfel am 05. Februar 2021 hat die Ruhrgebietskonferenz-Pflege eine positive Zwischenbilanz zur bisherigen Impfkampagne in den stationären Einrichtungen in NRW gezogen. „Über 90 Prozent der Bewohner*innen und mehr als 75 Prozent der Mitarbeitenden haben bisher teilgenommen“, zitiert Jens Hindrichs, Geschäftsführer der Caritas Herten, aus einer Abfrage seines Verbandes unter 150 Pflegeeinrichtungen allein im nördlichen Ruhrgebiet und Münsterland. Für die zu Hause lebenden mobilitätseingeschränkten und pflegebedürftigen Menschen erwartet die Arbeitgeberinitiative zeitnah eine neue Impfstrategie. Bislang werden diese Menschen auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. „Seit Anfang des Jahres fordern wir die Einrichtung dezentraler und wohnortnaher Impfzentren, um schneller impfen zu können. So langsam erfahren wir Rückenwind aus Politik und Verwaltung. Es wird aber auch höchste Zeit“, macht Ulrich Christofczik vom Christophoruswerk in Duisburg und einer der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege seinem Unmut Luft. Außerdem fordert die Ruhrgebietskonferenz-Pflege von Bundes- und Landespolitikern eine mit den Praktikern abgestimmte Exitstrategie für die Rückkehr zur Normalität in den Einrichtungen der Altenhilfe.
Vorschläge liegen schon lang auf dem Tisch
Auf dem zweiten digitalen Impf- und Schnelltestgipfel der Ruhrgebietskonferenz-Pflege gab es viele offenbar verblüffende Neuigkeiten für die teilnehmenden Politiker*innen aus den verschiedenen Parlamenten. Auf dem Programm standen die Zwischenbilanz zur Impfkampagne in den stationären Einrichtungen im Land NRW und der dringende Appell zur Veränderung der Impfstrategie. „Für die teilnehmenden Mitglieder des Gesundheitsauschusses im NRW Landtag war es eine interessante Neuigkeit, dass bereits seit dem 11. Januar Konzeptvorschläge aus der Ruhrgebietskonferenz-Pflege in den zuständigen Ministerien vorliegen. Schließlich hatten Vertreter des Gesundheitsministeriums auf der letzten Sitzung noch behauptet, dass dort keine Vorschläge mit alternativen Konzepten bekannt seien. „Wir haben uns mit unseren Ideen schon blutige Nasen geholt“, beschreibt Thomas Eisenreich von Home Instead bildhaft die bisherigen Reaktionen aus Berlin und Düsseldorf auf die Vorschläge der Ruhrgebietskonferenz-Pflege. Wohnortnahe und dezentrale Impfzentren könnten die Verteilung des Impfstoffes an die besonders gefährdeten Menschen beschleunigen. „Hier werden vorhandene Ressourcen nicht genutzt, weil sich die Entscheider auf die Großimpfzentren versteift haben“, sagt Thomas Eisenreich, der auch einer der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege ist.
Für Dr. Renken, Leiter des Gesundheitsamtes in Dortmund, haben die Ideen der Ruhrgebietskonferenz-Pflege großen Charme, aber „wir haben momentan eine andere Beschlusslage“. Das will die Ruhrgebietskonferenz-Pflege jetzt nicht länger hinnehmen und findet in Heike Gebhardt von der SPD, aktuell Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag, sowie Mehrdad Mostofizadeh von den Grünen im NRW-Landtag meinungsstarke Unterstützer.
Das „Duisburger Modell“ sollte Schule machen
Christian Umbach, stellvertretender Chef der Feuerwehr in Duisburg und Bernd Wolf, Leiter des dortigen Impfzentrums, betonen die gute Zusammenarbeit mit den Trägern vor Ort. Ulrich Christofczik spricht sogar von einem „Duisburger Modell“, bei dem die Kooperation vor Ort ausgezeichnet funktioniert hat. „Wir haben hier eine herausragend gute Zusammenarbeit entwickelt, die wir auch noch für die Impfungen im ambulanten Bereich nutzen können. Die Stadt hat uns außerdem mit den 10 Testzentren im Stadtgebiet bei unseren sonstigen Schutzmaßnahmen vorbildlich unterstützt,“ unterstreicht der Vorstand des größten Pflegeanbieters in Duisburg. Und zum Schluss richtet er den Blick nach Düsseldorf: „Aus dem Gesundheitsministerium und von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein hat uns hier vor Ort niemand wirklich geholfen. “ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas hat die guten Nachrichten aus ihrem Wahlbezirk in Duisburg gern gehört und will die Vorschläge für dezentrale Impfzentren in Berlin verbreiten.
„Exitstrategie“ noch nicht in Sicht
Die Rückkehr zur Normalität in den Pflegeeinrichtungen wird noch auf sich warten lassen. Das meint zumindest Dr. Hans-Ulrich Holtherm, Abteilungsleiter aus dem Bundesministerium für Gesundheit. Immerhin macht der Bundeswehrgeneral in Diensten von Jens Spahn Hoffnung, in dem er auf die Empfehlungen des Ethikrates verweist. Dieser hatte am 04.02.2021 die Meinung vertreten, dass die „für die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflege-, Senioren-, Behinderten- und Hospizeinrichtungen geltenden Ausgangsverbote bzw. -einschränkungen und Beschränkungen von Besuchs- und Kontaktmöglichkeiten aufgehoben werden, sobald sie geimpft wurden.“
Die Schnelltests und andere Schutzmaßnahmen werden also weiterhin noch den Alltag in den Einrichtungen bestimmen. Ungelöst sind dabei vielerorts noch die Probleme bei der Personalausstattung für diese Maßnahmen. Die Ruhrgebietskonferenz- Pflege hat mutmachende Beispiele gesammelt, wie und wo Freiwillige, Bundwehrsoldaten oder auch Mitarbeitende aus Hilfsorganisationen bei den Corona-Schutzmaßnahmen integriert werden konnten, aber eine durchgehend gute Praxis und auf die gesamte Branche übertragbare Lösungen waren nicht dabei. „Es hängt halt immer wieder vom Engagement einzelner Personen und den Netzwerken der Einrichtungen vor Ort ab. Dieser Flickenteppich muss in Zukunft besser verknüpft werden,“ zieht Ulrich Christofczik abschließend Bilanz.
Materialien der R-Konferenz zum Thema:
Eckpunktepapier zu Corona Impfungen für Menschen mit höchster Priorität
Dezentrale, wohnortnahe Impfungen – Herausforderungen und Konzepte
Nachklapp:
Zum Schluss noch eine interessante Information. Als „Folge“ unseres Impf- und Schnelltestgipfels am letzten Freitag können wir verbuchen, dass die „GRÜNEN“ im NRW Landtag einen Entschließungsantrag mit dem Titel „Planbarkeit und Verlässlichkeit schaffen –Impf- und Teststrategien ausweiten“ zu dem Antrag „Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am 10. Februar 2021 zum weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie: Pandemie weiter ernsthaft bekämpfen -faktenbasierte Entscheidungen treffen –Wege in eine Normalisierung aufzeigen“ https://opal.landtag.nrw.de//portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-12577.pdf eingebracht haben. In diesem Entschließungsantrag sind eine Reihe von Impulsen aus unserem Gipfeltreffen vom 05.02.2021 wiederzufinden. Das hat uns sehr gefreut.