Veröffentlicht am 23. Oktober 2023 von RKP
NRW bleibt sozial - Der Pott bleibt bedürftig?
Ruhrgebietskonferenz-Pflege fordert: Schluss mit Rettungsschirmen und Nothilfen
Gelsenkirchen, 23. Oktober 2023: Über 20.000 Teilnehmende haben in Düsseldorf auf die katastrophalen Zustände in vielen sozialen Einrichtungen und den bereits heute absehbaren Folgen der aktuellen Sozial- und Pflegepolitik hingewiesen. Die Mobilisierung war ein großer Erfolg und die Initiatoren verdienen höchsten Respekt, dass sie dem fortschreitenden Kahlschlag in den Kindergärten, Schulen, Behinderteneinrichtungen, Pflegeheimen und -diensten in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt haben. Jetzt müssen aber Taten folgen.
Für die Arbeitgeber der Ruhrgebietskonferenz-Pflege steht fest: Wir haben schon lange kein Erkenntnisproblem mehr, sondern einen Mangel an politischer Handlungsbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit. Pflege braucht keine Almosen, sondern eine zukunftstaugliche Finanzierungsgrundlage. Politik ist gefordert, das System endlich von Bürokratie zu entrümpeln und Leistungen auskömmlich zu finanzieren. Um die Pflege und Betreuung hilfebedürftiger Menschen zukunftsfähig zu machen, brauchen wir keine Rettungsschirme und Nothilfen. Man klebt schließlich auch kein Pflaster auf eine klaffende Wunde. Wir fordern einen Deutschlandpakt für den sozialen Zusammenhalt, der Sozialarbeit und Pflege nicht mehr als volkswirtschaftlichen Kostenfresser versteht, sondern als tragende Säule für den gesellschaftlichen Wandel in politisch und demografisch herausfordernden Zeiten.
Schlange stehen vor den Pflegeheimen
Die Baby-Boomer waren es in ihrem Leben gewohnt, dass es viele von Ihnen gibt. Sie waren viele in den Kindergärten, den Schulen, am Arbeitsmarkt und den Universitäten. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden auch viele vor den Pflegeheimen und ambulanten Diensten Schlange stehen. Aus Baby-Boomern werden dann Pflege-Boomer. Hochgerechnet brauchen wir zur Deckung der prognostizierten Bedarfe bis zum Jahr 2050 jährlich 1,5 % mehr an Pflege- und Betreuungsleistungen, wenn wir das bestehende System fortschreiben. Das ist angesichts der demografischen Nachwuchsentwicklung vollkommen unrealistisch. Abgesehen vom fehlenden Nachwuchs ist das auch schlicht nicht bezahlbar.
Bald über 90% im Sozialhilfebezug
In Sachen Bezahlbarkeit muss man gar nicht so weit in die Zukunft blicken. Hochrechnungen aus dem Kreis der Arbeitgeber in der Ruhrgebietskonferenz-Pflege zeigen, dass die Kostenentwicklung schon heute steil nach oben zeigt. Unternehmen, die aktuell Pflegesatzverhandlungen für 2024 vorbereiten, melden zurück, dass die Eigenanteile im kommenden Jahr noch einmal um bis zu 48 % steigen werden. Das Ende der Fahnenstange ist noch längst nicht erreicht. Konkret bedeutet das bis zu 1.000 Euro monatliche Mehrbelastungen für die Bewohner*innen und deren Angehörige. Gleiches gilt für die ambulante Pflege und die ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Nur sind die Kosten hier nicht direkt offensichtlich. Zu Hause lebende Menschen werden oft sich selbst überlassen oder die Familien müssen zusätzliche körperlich anstrengende Pflegen übernehmen.
In Städten wie Duisburg und Gelsenkirchen sind heute schon 80 % der Bewohner*innen in stationären Einrichtungen auf Sozialhilfe angewiesen, um die Pflege- und Betreuungskosten zu stemmen. Spätestens 2025 erwarten wir, dass dieser Anteil auf über 90 % steigen wird. Selbst wenn NRW sozial bleibt, werden die Menschen im Pott weiterhin bedürftig sein.
Pflege und Betreuung zukunftsfest machen
Thomas Eisenreich – vom bundesweit tätigen Betreuungsdienstleister Home Instead – macht sich schon länger als Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege für die Einführung eines persönlichen Pflege- und Betreuungsbudgets stark, das nicht aus einem unübersichtlichen Kostenträger-Mix gespeist wird. Er hat deshalb aktiv an einem Diskussionsvorschlag einer namhaft besetzten Arbeitsgruppe mitgewirkt, die unter dem Titel „Wirkungs- und personenfokussierte Pflege und Betreuung“ einen radikalen Systemwechsel vorschlägt. Für Thomas Eisenreich gilt: „Wir haben einen gemeinsamen Auftrag, dem wir uns stellen müssen: Pflege und Betreuung zukunftsfest machen.“