Veröffentlicht am 25. Januar 2021 von RKP

Ruhrgebietskonferenz-Pflege fordert dezentrale und wohnortnahe Impfzentren für pflegebedürftige Menschen zuhause

Zeit bis zur Lieferung nutzen, um die Impfstrategie zu verbessern – Pressemitteilung –

Gelsenkirchen, 25.01.21: Mit dem Start der Terminvergabe für die Corona-Schutzimpfungen für über 80jährige Menschen beginnt die Debatte aufs Neue, wie mobilitätseingeschränkte und pflegebedürftige Personen in die Großimpfzenten kommen sollen. „Jetzt nur auf kostenlose Taxitransporte und Nachbarschaftshilfe zu verweisen, zeigt die Hilflosigkeit der Entscheidungsträger“, sagt Thomes Eisenreich, Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege. „Wir sollten die Zeit bis zur Lieferung des Impfstoffes nutzen, um gemeinsam die Impfstrategie zu verbessern!“ Seit Wochen weist die Arbeitgeberinitiative aus dem Revier darauf hin, dass Großimpfzentren am Bedarf für die von Corona besonders bedrohten Menschen vorbeigeplant sind. 

Über 600.000 hilfe- und pflegebedürftige Menschen aus NRW leben in den eigenen vier Wänden. Deren Schutzimpfung wird auf die lange Bank geschoben. Ulrich Christofczik, ebenfalls Sprecher der Arbeitgeberinitiative aus dem Revier, wird konkret: „Wer denkt eigentlich an Frau Meyer aus dem 7. Stock? Wir sind der Meinung, dass die Impfungen im ambulanten Bereich – das betrifft auch die 80.000 Mitarbeitenden der ambulanten Dienste – deutlich beschleunigt werden können!“ Dabei setzt die Initiative auf die bereits bestehende Infrastruktur und das erworbene Wissen aus der Impfaktion in den stationären Einrichtungen.

Wohnortnahe Impfstellen schaffen

Die Ruhrgebietskonferenz-Pflege schlägt die Einrichtung von dezentralen, wohnortnahen Impfstellen, so genannten Quartiers-Impfzentren, unter der Steuerung der kommunalen Impfzentren in Kooperation mit Trägern der Altenhilfe vor. „Der Ansatz der wohnortnahen Impfstellen ermöglicht kurze Wege zwischen Wohnung und Impfort. Die Menschen können entweder selbstständig oder unter Begleitung, zu Fuß oder mit einem Rollstuhl oder anderer Mobilitätshilfen zum Impfzentrum kommen. Schließlich sind die Fahrdienste von Tagespflegen, Behindertenhilfeeinrichtungen und auch Schulbusse aktuell im Lockdown“ beschreibt Thomas Eisenreich den Lösungsansatz der Ruhrgebietskonferenz-Pflege.

Transport nicht mehr das zentrale Problem

Bislang wurde diese Idee immer mit dem Hinweis auf die große Empfindlichkeit des Impfstoffes verworfen. Seit über einer Woche ist klar: so empfindlich ist er nicht und ein Transport ist leichter möglich als gedacht. „Jetzt heißt es, dass ja nicht genug Impfstoff da ist, um ihn dezentral zu verteilen. Das leuchtet auf den ersten Blick ein, aber was ist, wenn endlich genug davon vorhanden ist?“, fragt Thomas Eisenreich und ergänzt: „So komisch das klingen mag, aber der Mangel an Impfstoff verschafft uns Zeit, um jetzt eine neue Strategie und ein Konzept für die Versorgung der älteren Menschen, die nicht in Pflegeheimen leben zu erarbeiten.“

Erfahrungen nutzen

In den Kommunen sollen zeitnah die Pflegeanbieter von den Verantwortlichen in den Impfzentren zu einer örtlichen Task-Force eingeladen werden. Stationäre Einrichtungen, in denen bereits Impfungen stattgefunden haben, aktuell ungenutzte Tagespflegeeinrichtungen und größere Standorte von Pflegediensten könnten die Funktion von dezentralen und wohnortnahen Impfstellen erfüllen. „Das dezentrale Konzept könnte einen großen Beitrag zur Reduzierung der Todesfälle und zur Entlastung der Intensivstationen im Land leisten “, unterstreicht Thomas Eisenreich die Zielsetzung der vorgeschlagenen Lösungen.

Konkrete Lösungen stehen bereit

Silke Gerling vom Diakoniewerk Essen macht das Angebot konkret: „Wir haben beispielsweise eine Einrichtung in Kray, die jederzeit als Impfzentrum für den Stadtteil hergerichtet werden kann. Wir haben hier schon Impfungen durchgeführt und können Räume zur Verfügung stellen.“ Für die langjährige Geschäftsbereichsleiterin liegt der Nutzen auf der Hand: „Versuchen Sie mal mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Kray ins zentrale Impfzentrum in der Essener Messe zu kommen. Dafür müssen Sie zweimal umsteigen, das schaffen nicht alle älteren oder mobilitätseingeschränkten Menschen.“

Auch in Bottrop könnte im Diakoniezentrum jederzeit für das umliegende Quartier eine wohnortnahe Impfstelle entstehen. Kerstin Schönlau vom Diakonischen Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten bietet sich an: „Direkt neben unserer Tages- und Kurzzeitpflege stehen mehr als 50 Seniorenwohnungen. Auch der Kundenstamm des ambulanten Dienstes, der im Diakoniezentrum seine Büros hat, könnte bei einer gemeinsamen Aktion mitgeimpft werden. Viele Pflegekunden kennen die Mitarbeiterinnen aus dem Pflegedienst. Das schafft Vertrauen und erhöht die Impfbereitschaft.“ Solche und ähnliche Standorte rund um stationäre Einrichtungen oder Tagespflegen gibt es in jeder Kommune im Ruhrgebiet. „Wir müssen endlich die vorhandenen Ressourcen besser nutzen und vernetzen“, unterstreicht Roland Weigel, Koordinator der Ruhrgebietskonferenz-Pflege. Er ergänzt: „Wenn wir eine große Impfteilnahme wollen, müssen wir die Zugänge erleichtern. Es ist ein Unding, dass eine 80jährige Seniorin mit Pflegegrad 3 von Witten nach Ennepetal reisen muss, um sich impfen zu lassen.“

Die Ruhrgebietskonferenz-Pflege hat ihre Vorschläge in einem Eckpunktepapier zusammengetragen, das allen Interessierten jederzeit zugänglich ist.

Außerdem können die Ideen und Vorschläge noch einmal im Vodcast oder Podcast nachhören.

elderly man waiting to be vaccinated for covid-19 – aerogondo/stock.adobe.com