Veröffentlicht am 12. November 2023 von RKP

Ruhrgebietskonferenz-Pflege: Kostenträger sind in der Verantwortung

Pflege wird mit dem „Qualitätsatlas“ der AOK mal wieder am Nasenring in die Manege gezerrt

Gelsenkirchen, 11.11.23. Der „Qualitätsatlas Pflege“ der AOK schlägt auch rund sechs Wochen nach seiner Veröffentlichung noch hohe Wellen im Meer der Klischee-Berichterstattung über „die Pflege“. Beklagt werden u.a. der in NRW hohe Einsatz von Beruhigungsmitteln und die Zahl der vermeidbaren Krankenhauseinweisungen. Aus Sicht der Arbeitgeber aus der Ruhrgebietskonferenz-Pflege sollte man aber doch einmal einen Perspektivwechsel ins Auge fassen und sich fragen, wessen Qualität da bewertet wird. Die AOK zerrt alljährlich die Dienstleister der Pflege am medialen Nasenring in eine Manege, deren Ausstattung und Qualität sie selbst zu verantworten hat. Statt ständig scheinbar aufklärerisch über vermeintliche und tatsächliche Missstände einen Statusbericht zu verfassen, sollten sich die Kassen als Kostenträger endlich Gedanken über deren Beseitigung machen.

Krankenhauseinweisungen vermeiden (k)eine Frage des Geldes
Ein Beispiel gefällig? Kein Problem. Der Qualitätsbericht greift die „vermeidbaren Krankenhauseinweisungen“ auf. Das ist aus Sicht aller Beteiligten tatsächlich ein überaus wichtiges Thema. Die gute Nachricht: Wir können sie schon heute mit vorhandenen technischen Mitteln um bis zu 40 % reduzieren. Das zeigen „Modellprojekte“, in denen digitalen Arztvisiten in stationären Einrichtungen erprobt worden sind (übrigens unter Beteiligung der AOK-Rheinland/Hamburg). Die zweite gute Nachricht: Die technischen Mittel sind praxistauglich und erschwinglich. Das haben diese „Modellprojekte“ ebenfalls bewiesen. Jetzt müssten wir uns doch die Frage stellen, warum diese „Erkenntnisse“ nicht genutzt werden und aus dem Modell nicht die „Normalität“ wird. Und da sind wir bei der Frage nach der Verantwortung für Veränderungsprozesse in unserem Gesundheitssystem. Wir sind scheinbar – nicht nur in der Pflege – Planungsriesen aber leider Umsetzungszwerge. Die oben angesprochenen „Modellprojekte“ haben gezeigt, dass wir nicht nur funktionierende Technik benötigen, sondern auch die Bereitschaft zur Kooperation und Kommunikation. Hier müssen nämlich Medizin und Pflege sowie Akut- und Langzeitversorgung zusammenarbeiten.

Arzneimittel-Therapiesicherheit eine Frage der Kooperation
Diese „Erkenntnis“ lässt sich auch auf das zweite „Problemfeld“ im AOK-Qualitätsbericht anwenden. „Modellprojekte“ zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) haben gezeigt, dass durch eine kontinuierliche und kooperative Kommunikation zwischen Ärzten, Apothekern und Pflegeeinrichtungen der Einsatz von Medikamenten und insbesondere Beruhigungsmitteln deutlich reduziert werden könnten. Das betrifft auch die Zahl der arzneimittelbedingten Krankenhauseinweisungen. Experten, die sich mit dem Thema seit Jahren beschäftigen, sind sich einig, dass es auch in der Arzneimittelversorgung an einem qualitätsgeleitenten System zur Kommunikation zwischen den Professionen im Interesse der Betroffenen Menschen fehlt. Qualitätszirkel und gemeinsame Videokonferenzen sind einfache, aber wirksame Instrumente, deren Anwendung selbst in Zeiten hoher Sensibilität für den Datenschutz schnell umsetzbar wäre.

Verantwortung liegt bei den Kostenträgern
Dafür müssen aber auch die Ressourcen – sprich Geldmittel – bereitgestellt und gerecht – nach Aufwand – verteilt werden. Damit sind wir wieder bei der Frage nach der Verantwortung für die Beseitigung von Qualitätsmängeln. Die Kassen sind Kostenträger und damit für den bestmöglichen Einsatz der Versichertengelder verantwortlich. Wieso sorgen sie dann nicht für die bestmögliche Vermeidung von Krankenhausaufenthalten? Wieso sorgen sie dann nicht dafür, dass Beruhigungsmittel reduziert eingesetzt werden? Wieso werden die Erkenntnisse und Instrumente aus „Modellprojekten“ nicht in die Fläche gebracht? Eine Vielzahl von Modellprojekten und Expertenanalysen zeigen, dass sich in fast allen kritischen Bereichen die Probleme in unserem Pflegesystem durch gezielten Technikeinsatz und sektorenübergreifende Kooperation lindern oder sogar lösen lassen würden.

Jeder will, der andere soll und keiner darf!?
Für die Arbeitgeber aus der Pflege ist das gerade Beschriebene nichts grundlegend Neues, aber es macht mürbe und nimmt engagierten Menschen das letzte Stück Motivation. Wir haben im Gesundheitssystem vielerorts kein Wissens- sondern ein Umsetzungsdefizit. Es geht nach dem Dreiklang: „Jeder will, der andere soll und keiner darf!“ Nach diesem Prinzip schieben sich die Akteure die Verantwortung zu. Doch für Ruhrgebietskonferenz-Pflege ist klar: Die Kostenträger sind in Sachen Qualität gefordert die Initiative zu ergreifen und für die notwendigen Strukturen zu sorgen. Wenn ihnen dazu von der Politik der Auftrag oder die Mittel fehlen, müssen sie sich dafür einsetzen, dass die Politik sich bewegt. Wir stehen ihnen dabei gern zur Seite! Glückauf

Weiterführende Hinweise zu den o.g. Erkenntnissen aus „Modellvorhaben“ und sonstigen Analysen:

Foto von iiii iiii: www.pexels.com