Veröffentlicht am 15. Dezember 2020 von RKP

„Besuchsgarantie des Landes NRW ist fahrlässig und verantwortungslos!“

Ruhrgebietskonferenz-Pflege fordert mehr Lösungsorientierung und macht praktische Vorschläge für die flächendeckende Umsetzung der Schnellteststrategie

Gelsenkirchen, 15.12.20:

Am Dienstag hat Gesundheitsminister Laumann eine Besuchsgarantie für Pflegeheime ausgesprochen. „Das halten wir für fahrlässig und verantwortungslos, solange nicht geklärt ist, woher wir das Personal nehmen sollen, um einen umfassenden Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner zu gewährleisten“, macht Ulrich Christofczik, Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege und Vorstand des Christophoruswerkes in Duisburg seinem Ärger Luft.

Uns fehlt schlicht das Personal

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Seit Sonntag steht bereits das Versprechen der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten im Raum, dass durch Schnelltests und flächendeckende Versorgung mit FFP2-Masken die Menschen in Altenheimen und Pflegediensten besser vor Corona geschützt werden sollen. „Wir finden die beschlossenen Maßnahmen richtig und wichtig. Aber uns fehlen schlicht die Menschen für die Durchführung der Schnelltests“, bringt Ulrich Christofczik die Lage auf den Punkt. Allein für die Tests der 800 Bewohnerinnen und Bewohner in seinen Einrichtungen braucht er aktuell 30 zusätzliche Mitarbeiter. In der ambulanten Versorgung ist das vergleichbar. Jeder unserer Betriebe müssten 2-3 Pflegekräfte aus der Versorgung abziehen, um zu testen. Bei 17 Betrieben im Revier sind das bis zu 50 Mitarbeitende. „Entweder testen oder versorgen wir“, ergänzt Thomas Eisenreich von Home-Instead. Bis jetzt wurden Mitarbeiter aus dem Ruhestand geholt, Teilzeitstellen aufgestockt oder Studenten eingesetzt. Dieses Potenzial ist aber jetzt ausgereizt, da es sich um medizinisch oder pflegerisch qualifiziertes Personal handelt. Und genau das wird jetzt auch für die Impfzentren gebraucht. „Wir fischen dann im gleichen Teich, ohne einen Fisch mehr zu gewinnen“, so Ulrich Christofczik. Die Testfrequenz wird durch immer mehr Vorgaben und politische Beschlüsse ständig erhöht. Aber die zur Verfügung stehenden Personalressourcen sind erschöpft.

Potenzial steckt in der Kurzarbeit

Thomas Eisenreich sagt dazu: „Bei der Bundeswehr und dem Katastrophenschutz sind alle Ressourcen schon abgezogen. Dieses Personal arbeitet doch bereits in den Gesundheitsämtern und soll zukünftig die Impfzentren unterstützen. Auch das vielfach angepriesene Freiwilligenregister besteht überwiegend aus medizinischem Fachpersonal, das für die Impfkampagne benötigt wird.“ Die Ruhrgebietskonferenz-Pflege schlägt neue und pragmatische Lösungen vor. „Das Potenzial für die Schnelltests steckt beispielsweise in der Kurzarbeit. Die Arbeitsagenturen könnten uns helfen, dieses Potenzial auszuschöpfen. Die Tests sind kein Hexenwerk. Die Mitarbeiter in den Einrichtungen und Diensten, die ja nur zum Teil die bisher geforderten Grundqualifikationen für die Testungen haben, könnten sich ggf. auch selber oder gegenseitig nach einer Schulung testen. Besser wir finden so eine 80% Lösung, die aber 80mal besser ist als die heutige Situation, bei der wir 100 % nicht umgesetzt bekommen“, wird Thomas Eisenreich konkret.

Die Vorschriften sind nicht stimmig

An Material mangelt es bislang jedenfalls nicht. Für Silke Gerling, ebenfalls Sprecherin der Ruhrgebietskonferenz-Pflege und Prokuristin beim Diakoniewerk Essen, ist die Beschaffung der Schnelltests aktuell kein Problem: „Wir sind gut ausgestattet und wissen auch, wo wir Nachschub bekommen können.“ Woran es fehlt, ist die Abstimmung und die Kommunikation mit den politischen und behördlichen Entscheidungsträgern. „Die Vorschriften sind nicht stimmig und voller juristisch unbestimmter Begriffe. Aktuell ist immer wieder unklar, was denn jetzt gilt und was nicht“, beschreibt Silke Gerling ihre Zwickmühle, in der sie sich und andere Träger sieht. Deshalb erwartet die Ruhrgebietskonferenz-Pflege den Schulterschluss aller Akteure, die mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie jetzt umgehen müssen.

Die Forderungen und Vorschläge der Ruhrgebietskonferenz-Pflege können Sie auch dem Tacheles-Vodcast zum „Schnelltestwahnsinn“ auf dem Youtube-Kanal der Arbeitgeberinitiative entnehmen. Oder auch als Podcast.

Ulrich Christofczik zum Thema in der Lokalzeit Ruhr des WDR (16.12.20)

Roland Weigel zum Thema in der Aktuellen Stunde des WDR (20.12.20)