Veröffentlicht am 11. Juni 2024 von RKP
Verhandlungs- und Bearbeitungsstau bei Kostenträgern gefährdet Versorgungssicherheit
„Das kann man keinem vernünftigen Menschen erklären!“ – Ruhrgebietskonferenz-Pflege ruft zur Protestaktion nach Münster
Gelsenkirchen, 11. Juni 2024: Und schon wieder geht es um die Versorgungssicherheit in der Pflege. Bei vielen Trägern stationärer Einrichtungen im nördlichen Ruhrgebiet, in Ostwestfalen und im Münsterland drohen weiterhin wirtschaftliche Schieflagen. Der Grund: Bearbeitungs- und Verhandlungsstau bei den zuständigen Kostenträgern. „Aktuell haben wir theoretisch in drei Einrichtungen und zwei ambulanten Diensten seit Jahresanfang neue Pflegesätze. Wegen fehlender Abschlüsse können wir diese aber noch nicht geltend machen. Bis Ende Juni dieses Jahres belasten die ausstehenden Abschlüsse unsere Liquidität mit ca. 1 Mio. Euro“, beschreibt Malte Wulbrand, Bereichsleiter Senioren und Pflege bei der Caritas Recklinghausen, die Situation. Für Malte Wulbrand ist das noch kein Grund zur Panik: „Wir reden hier noch nicht von Schließung oder Insolvenz. Trotzdem gehen wir enorm in Vorleistung. Und wie viel wir von den Mitteln rückwirkend noch bekommen werden ist völlig ungewiss.“
Gemeinsame Protestaktion am 14. Juni in Münster
Die Caritas ist Mitglied in der Ruhrgebietskonferenz-Pflege und war einer der Initiatoren des Pflege-Aktionstages am 19.03.2024 in Recklinghausen. „Vor drei Monaten haben wir schon auf die unzumutbaren Verzögerungen und unzulänglichen Angebote von Seiten der Kostenträger hingewiesen. Seitdem hat sich nichts bewegt“, ist Malte Wulbrand sichtlich verärgert. Die Ruhrgebietskonferenz-Pflege schließt sich deshalb dem Aufruf verschiedener Träger und Initiativen zu einer Protestaktion am 14. Juni vor dem Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) und der IKK in Münster an.
Fehlende Bescheide für Investitionskosten
Auch beim Evangelischen Johanneswerk, einem weiteren Mitglied der Ruhrgebietskonferenz-Pflege, belaufen sich die ausstehenden Zahlungen der Kostenträger mittlerweile auf mehrere Millionen Euro. Dabei geht es nicht nur um die Kosten für die Pflege, sondern auch um fehlende Bescheide für die Finanzierung der sogenannten Investitionskosten, die von den Bewohner*innen getragen werden müssen. Mit den Investitionskosten, für deren Festsetzung in Nordrhein-Westfalen die Landschaftsverbände zuständig sind, finanzieren die Betreiber beispielsweise notwendige Renovierungen und Instandhaltungen in den Pflegeeinrichtungen.
Nachberechnungen für Erben verstorbener Bewohner*innen
Aktuell besonders belastend für viele Angehörige sind zudem die Nachberechnungen der Träger im Bereich der Investitionskosten. Weil es aufseiten der zuständigen Landschaftsverbände erhebliche Bearbeitungsrückstände gibt, können Träger wie das Johanneswerk erst viele Jahre nach dem Versterben der betroffenen Menschen Kosten erheben – und müssen sie nachberechnen. Die Nachberechnungen stellen für Angehörige nicht nur eine unerwartete, sondern oft auch eine emotionale Belastung dar. „Wir befinden uns hier in einem Dilemma“, erklärt hierzu Dr. Bodo de Vries, stellvertretender Vorsitzende der Geschäftsführung im Evangelischen Johanneswerk. Einerseits müsse man sicherstellen, dass die Einrichtungen nach den Vorgaben der Kostenträger arbeiten und den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Andererseits sei man gezwungen, nach Jahren die Erben verstorbener Menschen über nachträgliche Forderungen zu informieren und aufzuklären. „Das kann man eigentlich keinem vernünftigen Menschen erklären“, betont de Vries.
Kostenträger und Politik müssen endlich handeln
Die Mitglieder der Ruhrgebietskonferenz-Pflege erwarten von den zuständigen Behörden, dass sie den akuten Bearbeitungs- und Verhandlungsstau zeitnah beheben. Von der Politik wird gefordert, dass die lange versprochene Entbürokratisierung endlich konkret angepackt wird und Verfahren beschleunigt werden. Konkret wird angeregt, dass die investiven Maßnahmen grundsätzlich anzuerkennen sind und erst im Nachgang vom LWL überprüft werden. Außerdem sollen Antragsverfahren konsequent digitalisiert werden.
INFO zum geplanten Ablauf der Protestaktion am kommenden Freitag (14.06.2024):
09:00 Uhr: Sammlung am Schlossplatz in Münster (Schlossplatz 2, 48149 Münster) auf dem Weg zum Schloss in Höhe der Parkplätze
09:20 Uhr: Protestmarsch durch die Innenstadt zum LWL (Freiherr-vom-Stein-Platz 1, 48147 Münster)
09:50 Uhr: Demonstration vor dem LWL (Redebeiträge durch den Vorsitzenden der LAG und Vertretungen der LAG und ggf. LWL, Pflegekassen)
10:30 Uhr: Protestmarsch zur IKK (IKK classic, Schaumburgstraße 16-18, 48145 Münster)
11:30 Uhr: Demonstration vor der IKK (Redebeitrag durch Vertretung der LAG, einer Angehörigenvertretung und ggf. Vertretung der Landespflegekassenverbände)
12:30 Uhr: Ende der Veranstaltung, selbständige Auflösung