Veröffentlicht am 24. September 2019 von Redaktion

NRW-Landesregierung schließt ambulante Pflege von neuem Förderprojekt aus

Haben die NRW-Landesregierung und ihr verantwortlicher Pflegeminister Karl-Josef Laumann bei der aktuellen Förderpolitik die ambulante Pflege vergessen, übersehen oder einfach ignoriert? Diesen Eindruck erweckt das neue Förderprojekt „Miteinander und nicht allein“, kritisiert die Ruhrgebietskonferenz Pflege.

Das Projekt soll im Quartier Verbünde schaffen, die ältere Menschen vor Einsamkeit schützen und ihnen attraktive Teilhabemöglichkeit schaffen. Um die Fördersumme von 50.000 Euro jährlich dürfen sich ausschließlich Anbieter stationärer oder teilsta-tionärer Pflege bewerben, die einen Gesamtversorgungsbetrag besitzen oder anstre-ben. Ambulanten Pflegediensten jedoch ist der Zugang versperrt. Claudius Hasenau, Sprecher der Arbeitgeberinitiative, fordert eine schnellstmögliche Korrektur der Pro-jektstruktur durch die Aufnahme ambulanter Anbieter und Pflege-WGs: „Minister Laumann hat den Grundsatz, ambulant vor stationär‘ in nur zwei Jahren zu Gunsten stationärer Einrichtungen verdreht.“

Grundsätzlich begrüße die Ruhrgebietskonferenz Pflege den inhaltlichen Ansatz des Projekts „Miteinander und nicht allein“. Es trage durchaus die Chance in sich, Akteure im Quartier besser zu vernetzen, neue nachbarschaftliche Strukturen aufzubauen und Ältere vor Isolation zu bewahren. Die Initiative setze sich ausdrücklich für ein Neben-einander aller Angebote ein, nicht für ein Gegeneinander. Es sei aber ein Unding, dass Pflegeminister Laumann ausgerechnet ambulante Pflegedienste ausschließe, die bekanntlich einen direkten Zugang zu pflegebedürftigen Menschen in der eigenen Wohnung haben und im Quartier eine wichtige soziale Schnittstelle bilden. Selbst zu Pflegegeldbeziehern bestehe einmal im Quartal oder einmal halbjährlich ein Bera-tungskontakt durch den ambulanten Pflegedienst. Claudius Hasenau: „Dieses Projekt springt eindeutig zu kurz!“

Ambulant betreute WG’s kommen gar nicht vor
Völlig außen vor lässt „Miteinander und nicht allein“ auch alternative Versorgungs-formen wie zum Beispiel ambulant betreute Wohngemeinschaften. Gerade in NRW hat sich diese Wohn- und Lebensform unter den Vorgaben einer quartiersnahen Versor-gungsstruktur vielerorts etabliert. Claudius Hasenau: „Den Zugang zu den in den Stadtteilen lebenden Menschen über diese von vielen Bürgern gewollte Alternative zur traditionellen Heimunterbringung scheint Herr Laumann vollkommen übersehen zu haben. Damit lässt er das positive Potenzial dieser Versorgungsform ungenutzt.“

Stärkung der stationären Versorgungskultur reicht nicht aus
Den Lebensbedingungen und der wirtschaftlichen Situation der älteren Bevölkerung in NRW wird Minister Laumann mit dieser Förderpolitik nicht gerecht. Allen Verant-wortlichen in der Pflege ist bewusst, dass zukünftig massive jedoch regional differen-zierte Veränderungen unsere Pflegelandschaft formen werden. Ein großer Anteil der alternden Gesellschaft möchte in ihrer eigenen Häuslichkeit verbleiben oder sucht nach Alternativen zur vollstationären Pflege. Deshalb ist die ausschließliche Stärkung der stationären Versorgungskultur nicht ausreichend. Schließlich werden bekanntlich in NRW knapp über 70 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in der eigenen Häus-lichkeit gepflegt. Hinter dieser Zahl verbergen sich ca. 600.000 Menschen.

Förderung ambulanter Angebote dringend geboten
Pflegende Angehörige und ambulante und teilstationäre Pflegedienstleister sind somit verantwortlich für die Sicherung der häuslichen Pflege. Warum Minister Laumann allein stationäre Pflegeeinrichtung in einen privilegierten Status erhebt, sei dem Fachpublikum völlig unverständlich. Claudius Hasenau: „Herr Minister Laumann ver-kennt die Situation völlig. Wir benötigen nicht allein Investitionen in stationäre Angebote, sondern dringend auch in ambulante Angebote. Claudius Hasenau: „Wenn sich das Engagement von selbst organisierten Pflegehilfen in der ambulanten Pflege nur um zehn Prozent verringert, werden die ambulanten Pflegedienste ihre Kapazitäten im Vergleich zu ihrem jetzigen Status um fast 25 % erhöhen müssen. Das wird vor dem Hintergrund des bestehenden Pflegenotstands zu einem endgültigen Kollaps in der ambulanten Pflege führen, der einen Tsunami im stationären Bereich auslösen wird.“

Ambulante Leistungsträger in Förderangebot aufnehmen
Dieser Fehlentwicklung muss gegengesteuert werden. Claudius Hasenau: „Konkret darf es keine Ausschließlichkeit von Förderangeboten aufgrund leistungsrechtlicher Zuordnung ambulanter, teil- oder vollstationärer Versorgungsverträge geben. Wir wehren uns gegen diese einseitige Privilegierung und verlangen die Gleichstellung gemeinnütziger und privater Träger. Wir erwarten deshalb schnellstmöglich eine Korrektur des Förderangebotes und eine Aufnahme ambulanter Leistungsträger ein-schließlich ambulant betreuter Wohngemeinschaften in den Kreis der Projektbeteilig-ten.“